Julius Thomas von 3Q: Streaming made in Europe

Seit 2009 baut Julius Thomas mit seinem Unternehmen 3Q an einer europäischen Alternative zu US-Streaming-Plattformen wie Vimeo oder Brightcove. Was als Hosting-Lösung für Webradios begann, ist heute eine leistungsstarke Video- und Audioplattform für Medienhäuser, Konzerne und Behörden. Im Interview spricht der Gründer über neue KI-Features und internationale Wachstumspläne – denn Europa müsse auch beim Streaming dringend eigenständig werden.

31.07.2025 6 Min. Lesezeit

Julius, seit wann gibt es 3Q?

Julius Thomas: Ich habe 3Q 2009 mit zwei Gesellschaftern gegründet. Wir sind am 8. April 16 Jahre alt geworden. Sweet Sixteen!

Herzlichen Glückwunsch.

Julius: Dankeschön! Ich habe schon als Schüler ein Webradio namens RadioW betrieben und im lokalen Rundfunk bei der Inn-Salzach-Welle zusammen mit Thomas Gierling eine Jugendsendung moderiert. Während des Zivildienstes habe ich die Firma gegründet. Damals war die Idee, dass wir ein guter Webradiohoster werden könnten. Nach drei Wochen hat JAM FM am Freitagnachmittag angerufen und gefragt, ob wir streamen können. Die Woche darauf ging es los. In den kommenden Monaten und Jahren ging es dann allerdings relativ schnell ins Thema Video. Das war damals technisch sehr aufwändig, man musste für jedes Video 40 Formate generieren, damit es auf allen Plattformen und Geräten funktioniert.

Corporate und Medienunternehmen: Das breite Portfolio ergänzt sich

 

Seitdem hat sich einiges verändert.

Julius: Heute ist das Ganze viel einfacher und man hat auch sehr viel mehr Kapazitäten, weil sich die Technik weiterentwickelt hat. Damals auf einem Server 1000 User zu haben, war wahnsinnig viel. Heute ist das ein Klacks.

Wie habt ihr euch als Firma weiterentwickelt?

Julius: Wir haben uns stärker auf das Thema Video fokussiert. Wir haben nach und nach viele Brands als Kunden gewonnen und waren relativ lange ein kleines Team. Ab 2017 sind wir von rund fünf Mitarbeitern auf 30 angewachsen.

Wer sind denn eure Kunden?

Julius: Wir haben ein sehr breit gefächertes Portfolio. Wir arbeiten zum Beispiel für Industrieunternehmen wie Siemens. Wir betreuen viele Banken und Versicherungen in der Schweiz. Außerdem haben wir viele Medienunternehmen in der DACH-Region und Verlage von klein bis groß im Portfolio.

Das ergänzt sich sehr gut: Die Unternehmen im Corporate Bereich haben eher einen Fokus auf Sicherheit und Zuverlässigkeit und die Medienunternehmen konzentrieren sich auf Masse. Für die Sicherheit haben wir zum Beispiel die Cybersecurity-Zertifizierung ISO 27001 gemacht. Davon profitieren beide Seiten. Andererseits macht Siemens manchmal Webcasts mit über 60.000 Zuschauern und profitiert davon, dass wir Erfahrung im Medienbusiness haben und Streams an eine große Nutzerschaft ausliefern können.

 

Wir haben unsere Plattform schon immer so gebaut, dass wir eigenständig arbeiten können. Unsere ganze Core-Infrastruktur liegt in Europa.

Julius ThomasGeschäftsführer von 3Q

Was sind das für Webcasts?

Julius: Es ist durch die Bank fast alles dabei. Webcasts kommen zum Einsatz, wenn der CEO von Siemens z.B. nach einer Akquisition einen Livestream an seine Mitarbeitenden macht, wenn ein neues Produkt vorgestellt wird oder wenn Schulungen stattfinden. Wir übertragen auch viele Events, zum Beispiel Hauptversammlungen. In der Schweiz betreuen wir außerdem Asport, da streamen wir unter anderem mit unserem Partner die Schweizer Eishockeyliga.

Welche Use Cases habt ihr für Medienhäuser außerdem noch?

Julius: Da geht es meistens ganz klassisch darum, Videos auf den Verlagsseiten auszuliefern, seien es selbstproduzierte Videos, Livestreams, Videos von Feeds wie der dpa oder auch Fußballspiele. Mit einer Schnittstelle im CMS zu unserem Tool kann man die Videos leicht integrieren, im Frontend erscheinen wir mit unserem Video- oder Audioplayer. Zu unseren Kunden gehören beispielsweise die NOZ-Verlagsgruppe, die Funke Mediengruppe oder Sportdigital.

Ein zentrales System speichert und verwaltet den kompletten Content

 

Wann sollten Medienunternehmen und andere auf euch als Dienstleister zukommen?

Julius: Sobald sie Media Content haben, den sie über Streaming verbreiten oder archivieren möchten. Das kann die eigene Website oder App betreffen, aber auch Third Party Plattformen wie YouTube, TikTok und so weiter.

Könnte ich meinen Podcast nicht besser direkt auf Spotify hochladen?

Julius: Wir haben ein zentrales System geschaffen, um sämtlichen Content zu speichern, zu verwalten und die Nutzung auswerten zu können. Beim Third Party Publishing generieren wir einen Media Feed, den Portale wie Spotify oder iTunes abrufen können. Man muss sich als Kunde nicht um jeden einzelnen Kanal kümmern. Für Inhalte, die vor oder hinter der Bezahlschranke liegen sollen, ist es notwendig, mit einem Dienstleister wie uns zu arbeiten, der das als Service anbietet.

Video ist und bleibt das Format der Stunde für Medienhäuser. Wie beobachtet ihr die Entwicklung?

Julius: Video wächst seit Jahren. Im Medienumfeld erreicht man langsam einen Zenit und mit Social Media auch ein Überangebot, in dem man stattfinden muss. Wo wir noch großes Wachstumspotenzial sehen, ist im Corporate-Bereich und in Behörden, wo die Digitalisierung gerade so richtig stattfindet. Wenn man beispielsweise Mitarbeitern eine neue Policy vorstellt, hat man früher ein 150-seitiges PDF geschickt, das sich wohl nur wenige durchgelesen haben. Künftig könnte man eine dreiminütige Zusammenfassung als Video bekommen, die möglicherweise KI-generiert ist.

Ein Trend, der auch an eurer Branche nicht spurlos vorbeigeht.

Julius: KI ist natürlich ein ganz großes Thema. Aber es ist nicht überall KI drin, wo KI draufsteht.

Wie meinst du das?

Julius: Ganz viele Produkte und Plattformen schreiben, sie setzen auf KI, oder suggerieren, dass es sich um ein KI-Produkt handelt, um Investoren zu locken. Oft hat das aber gar nichts mit KI zu tun. Bestes Beispiel ist ein KI-powered Staubsauger.

Das trifft aber auf euer KI-Tool nicht zu?

Julius: Nein! Wir bieten zum Beispiel eine Transkription durch ein KI-Modell an. Daraus werden automatisch Untertitel generiert. Das ist ein wichtiges Thema für die Barrierefreiheit. Aus dem Transkript werden außerdem Metadaten generiert, zum Beispiel ein Titel oder ein Beschreibungstext, der dann wieder SEO-technisch auf der Webseite des Kunden, wo das Video eingebettet ist, zur Anwendung kommt oder um den Content durchsuchbarer zu machen.

Was europäische Medienunternehmen anstreben sollten, ist Unabhängigkeit

 

Viele eurer großen Konkurrenten sind US-amerikanische Unternehmen, zum Beispiel Vimeo oder Brightcove. Nun werbt ihr ja recht offensiv damit, dass ihr ein europäisches Produkt seid. Gerade in der aktuellen politischen Lage ist das vermutlich ein entscheidendes Kriterium für eure Kunden, oder?

Julius: Das dachten wir damals schon mit der DSGVO. Datensicherheit war auch immer wieder ein wichtiges Thema für einige Kunden. Aber über die Jahre hinweg wurde es weniger relevant. Vielleicht aus kostentechnischen Gründen oder aus Bequemlichkeit. Zum Beispiel gab es damals die Aussage von Banken: „Wir werden nie in der Google Cloud hosten!” Drei Jahre später waren sie in der Google Cloud.

Aufgrund der politischen Situation in den USA dreht sich das ganze Thema wieder. Die Europäer wollen wieder unabhängiger werden. Wir haben unsere Plattform schon immer so gebaut, dass wir eigenständig arbeiten können. Unsere ganze Core-Infrastruktur liegt in Europa, wir betreiben sie selbst in eigenen Racks, die wir in Rechenzentren gemietet haben.

Vollständig verschließen wollen wir uns aber nicht, da Partnerschaften – wenn man international arbeitet – wichtig sind. Aus diesem Grund gehen wir für unsere internationalen Kunden auch Partnerschaften mit Hyperscalern oder anderen CDNs ein.

Ist das ein Appell an andere, auf euer Produkt zu switchen?

Julius: Seht zu, dass ihr euch als europäisches Unternehmen unabhängig macht und Worst-Case-Szenarien durchspielt. Durch die willkürliche Lage in den USA ist es mittlerweile durchaus denkbar, dass wir durch temporäre Einschränkungen erpresst werden.  Ein gutes Beispiel ist die E-Mail-Sperre des Chefanklägers des Internationalen Gerichtshofs durch Microsoft.

Da passt es gut, dass ihr aktuell auf internationales Wachstum setzt, wie du auf LinkedIn schreibst. Habt ihr spezielle Märkte im Blick?

Julius: Erstmal Europa. Besonders spannend sind für uns Nordeuropa, die skandinavischen Länder, wo viel Englisch gesprochen wird. Wir wollen ein europäischer Player in unserem Bereich werden.

Bannerbild: POV Studio

Über den Autor/die Autorin

Nina Labaute

Nina beschäftigt sich als Teamlead von XPLR: MEDIA in Bavaria intensiv mit dem Medienstandort und berichtet regelmäßig über innovative Medienprojekte aus Bayern. Davor studierte sie European Studies in Passau, absolvierte ein Stipendium beim Institut für Journalistenausbildung der Passauer Neue Presse und arbeitete drei Jahre in Paris als Online-Redakteurin.

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