Relevanzreporter: Konstruktiver Lokaljournalismus für Junge

Unabhängig, konstruktiv und inklusiv: Die Relevanzreporter aus Nürnberg wollen mit ihrem Ansatz für Lokaljournalismus festgefahrene Strukturen durchbrechen – und eine junge Generation für regionale Inhalte begeistern.

26.01.2022 7 Min. Lesezeit

Wer guten Lokaljournalismus will, schlägt die Tageszeitung auf. Wer sich konstruktive Nachrichten wünscht, wird bei einschlägigen Onlinemedien fündig. Warum nicht das eine mit dem anderen verbinden? Diese Frage hat sich Alexandra Haderlein gestellt und 2020 ein Lokaljournalismus-Projekt für junge Menschen gestartet. Was als „Lokalblog Nürnberg” begann, sind heute die Relevanzreporter: Ein diverses Team aus Journalist:innen, die Lokaljournalismus neu denken wollen.

„Nürnberg braucht nicht mehr Nachrichten, es braucht andere”, ist Alexandra Haderlein überzeugt. Deshalb setzen die Relevanzreporter auf Trends, die die Medienbranche schon seit einiger Zeit beschäftigen: Statt Information-Overload soll es intensiv recherchierte, differenzierte Inhalte geben. Sie sollen konstruktiv sein und Chancen aufzeigen, statt nur über schlechte Nachrichten zu informieren. Und die Leser:innen können sich als Community aktiv mit Themenvorschlägen einbringen und exklusiven Zugang zu Recherchen erhalten.

Um die Unabhängigkeit des eigenen Journalismus zu garantieren, wollen sich die Relevanzreporter unter Haderlein nicht von Werbeeinnahmen abhängig machen. Lange Zeit lief die Finanzierung deshalb aus eigener Tasche oder in Form von ehrenamtlicher Arbeit und Spenden. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne 2021 haben die Relevanzreporter nun auch finanziell den Sprung ins neue Jahr geschafft.

Wir haben mit Gründerin und Chefredakteurin Alexandra Haderlein über ihren eigenen Weg, konstruktiven Journalismus und den Community-Aspekt der Relevanzreporter gesprochen.

Alexandra Haderlein über Konstruktivität statt Info-Overload

 

Das ist auch auf gesellschaftlicher Ebene wichtig. In dem Moment, in dem meine Generation keinen Bock mehr auf lokale Nachrichten hat, entsteht sehr viel Raum für Filterblasen und Verschwörungstheorien. Ich möchte dafür sorgen, dass der Nachrichtenfaden von den Medienschaffenden zu den Nutzer:innen nicht abreißt.

Deshalb habe ich im Januar 2020 meinen Job bei den Nürnberger Nachrichten gekündigt. Ich hatte damals das Gefühl, die Leser:innen nicht mehr zu erreichen und ich wusste, dass ich etwas anderes machen möchte. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich nur die diffuse Idee, etwas Eigenes aufbauen zu wollen. Dass ich am Ende ein Start-up gründen und konstruktiven Lokaljournalismus für Junge machen würde, wusste ich noch nicht.

Was ist konstruktiver Journalismus und weshalb halten Sie diesen Ansatz für wichtig?

Haderlein: Konstruktiver Journalismus ist lösungsorientiert, nuanciert und zu einer demokratischen Debatte anregend. Das bedeutet, wir stellen nicht nur zwei Gegenpole gegenüber, sondern zeigen bewusst auch einmal die Graustufen. Das macht einen Text komplizierter und vielleicht auch etwas langweiliger, weil wir eben nicht nur zwei Extreme zeigen. Aber dafür zeigen wir die Welt, genau wie sie ist. Ich finde, das können wir unseren Leser:innen schon zutrauen.

Zu einer demokratischen Debatte anregend bedeutet, dass unsere Arbeit in irgendeiner Form dazu beitragen soll, dass Menschen sich mit bestimmten Themen auseinandersetzen. Das soll aber nicht passieren, indem unsere Leser:innen aufgehetzt werden, im besten Fall bekommen sie Lösungen für aktuelle Probleme an die Hand gegeben.

Zusätzlich sollen die Leser:innen in den Entstehungsprozess der Relevanzreporter und ihrer Inhalte einbezogen werden. Wie kann man sich das vorstellen?

Haderlein: Alles, was von den Relevanzreportern zu finden ist – egal ob der Name, das Design, das Bezahlmodell oder einzelne Recherchen – ist mit unseren Nutzer:innen gemeinsam entstanden. Wir haben eine Gruppe von Testnutzer:innen, mit denen wir alle Neuerungen durchsprechen und die uns Feedback geben. Als wir zum Beispiel Vorlagen für das künftige Design auf dem Tisch liegen hatten, haben wir die Nutzer:innen abstimmen lassen, was ihnen am besten gefällt. Aber auch die ganz normalen Leser:innen werden involviert. Mit unserem Newsletter verschicken wir Fragen an die Leser:innen: Wie findet ihr das Erzählformat? Sollen wir das öfter machen? Gibt es Fragen, die noch ungeklärt sind?

Was sind die wichtigsten Kanäle für jetzt im Moment?

Lara: Vor allem Instagram und unsere Seite, jetzt.de. Auf TikTok sind wir auch und haben Spaß damit, aber das ist für unsere Zielgruppe im Moment nicht so relevant. Außerdem ist bei TikTok die Seitenzuführung noch zu schwierig, das machen wir eher zur Markenbildung. Wir werden aber wachsam bleiben und das weiter im Blick haben.

Welche Besonderheiten gibt es bei Inhalten für eine junge Zielgruppe?

Lara: Die Besonderheit ist der Zugang zu Themen aus der Perspektive junger Menschen. Das heißt, dass wir vor allem mit jungen Menschen sprechen und das nur aufweichen, wenn wir Expert:innen brauchen, die es nicht „in jung“ gibt. Wir achten dabei auch auf Diversität – jungen Menschen ist oft wichtig, dass alle mitgedacht werden und vertreten sind.

Unsere Leser:innen interessieren sich für verschiedene Themen. Alles, was man im Gespräch mit Freund:innen auch bespricht, sind unsere Themen, sehr nah an der Lebenswelt. Deshalb sind wir Allrounder und kümmern uns um alles von Politik, Sex, Liebe bis hin zu Gesundheit.

Ansonsten ist es eine Frage der Aufbereitung. Damit ein Thema junge Menschen interessiert, hilft beispielsweise Lockerheit und Humor. Ich glaube, dass wir das besser können als viele andere Medien. Die Whatsapp-Kolumne funktioniert auf diese Weise. Wichtig ist, dass die Inhalte snackable sind – also schnell und mit Genuss zu konsumieren.

Listicles und Co.: Formate für junge Leser:innen

Die Hochphase der Millennial-Medien scheint vorbei zu sein: Bento und Neon gibt es nicht mehr, Zett ist unter das Dach von Zeit Online gewandert. Was bedeuten diese Entwicklungen für jetzt?

Lara: jetzt wird weiter existieren. Für uns ist das eine Chance, da die Zielgruppe insgesamt weniger angesprochen wird. Wir haben das auch zum Anlass genommen, nochmal über unsere eigene Ausrichtung nachzudenken – daher beschäftige ich mich aktuell mit der Frage, wo jetzt in Zukunft stehen wird. Wir können uns wieder stärker auf uns konzentrieren und sind weniger abgelenkt von den Strategien der anderen – Bento etwa ist lange sehr auf Geschwindigkeit und kleinere Geschichten gegangen. Wir können uns jetzt darauf besinnen, was wir gut können. Und das ist Magazin.

jetzt hat den strategischen Hintergrund, Leser:innen zur SZ heranzuführen. Welche Veränderungen finden da gerade statt?

Lara: Wir versuchen, näher an die SZ zu kommen und haben seit eineinhalb Jahren eine SZ-Banderole auf der Seite, in der wir auf SZ-Texte verweisen. Auch auf den Social-Kanälen teilen wir häufiger SZ-Inhalte. Im Gegenzug sind unsere Artikel auf SZ.de und den SZ-Social-Kanälen zu sehen. Das ist ein gegenseitiges Zuspielen.

Ein großer Unterschied in den Strategien ist, dass SZ.de eine Paywall hat, jetzt nicht – hat das etwas mit der Zielgruppe zu tun?

Lara: Ich würde es nicht generell ausschließen, unsere Inhalte irgendwann zu verkaufen.

Kann man junge Menschen schwieriger dazu bewegen, für Inhalte zu bezahlen?

Lara: Das glaube ich nicht, vor allem die Zielgruppe, die wir ansprechen, ist es gewohnt, im Internet einzukaufen. Aber eben nur, wenn ihnen das Produkt es auch wert ist.

Millennial- und GenZ-Medien haben einige Innovationen in die Medienwelt gebracht: Listicles, Quizze, Formate, die zu Beginn belächelt wurden, sich aber dann schnell etabliert haben. Wie steht es aktuell um die Innovationskraft?

Lara: Das Wichtigste ist die Wandelbarkeit: Immer wachsam bleiben, welche Kanäle genutzt werden, welche Formate gut ankommen. Hilfreich ist sicher, dass wir nichts verteufeln. Listicles kommen beispielsweise in Redaktionskreisen oft nicht so gut an, funktionieren bei den Leser:innen aber sehr gut. Meine Haltung dazu ist: Ist bin die Dienstleisterin für die Leser:innen. Natürlich will ich meine Qualitätsstandards halten, aber das geht auch in Form einer Liste – solange sie gut gemacht ist.

Bannerbild: Unabhängig, konstruktiv und inklusiv: Das sind die Relevanzreporter. / Screenshot: Instagram

Über den Autor/die Autorin

Lisa Plank

newsletter

Du willst mehr zu Medieninnovationen am Standort wissen?

Bleib auf dem Laufenden mit aktuellen Artikeln und Event-Tipps direkt per E-Mail.