Ein komplettes Festival ins Netz zu verlegen ist nicht ohne. Dieser Herausforderung mussten sich in den letzten Monaten viele Veranstalter stellen. Festivalleiter Daniel Sponsel teilt seine Learnings aus dem ersten digitalen DOK.fest und verrät, welche Chancen er darin für das nächste Jahr sieht.
DOK.fest 2020: Learnings aus der ersten Online-Ausgabe
Foto: Janne Sebening
Nackte Zahlen zuerst
Über 75.000 Sichtungen der Streams registrierte das DOK.fest 2020 – ein großer Erfolg. Zum Vergleich: Im Vorjahr zählten die Veranstalter 52.400 Besucher. Zwar wurde die Online-Version dieses Jahr um eine Woche verlängert – was auch zum Ergebnis beigetragen haben dürfte – dafür lässt sich jedoch nicht messen, wie viele Menschen zuhause auf dem Sofa ohne eigenes Ticket zusätzlich mitgeschaut haben.
Das Ergebnis überraschte auch Festivalleiter Daniel Sponsel positiv. Er hatte eher mit Publikumsverlusten gerechnet, nachdem den Stammgästen wegen der Corona-Pandemie der gewohnte Weg ins Kino verwehrt blieb. Nur sechs Wochen hatte sein Team gehabt, um das Dokumentarfilmfestival komplett in den digitalen Raum zu verlegen – und hat dabei wichtige Learnings gemacht.
Etwas anders als sonst – die DOK.fest Eröffnung 2020
1. Ein überzeugendes Online-Konzept erreicht neue Zielgruppen
„Wir hatten kaum Zeit, das Festival bundesweit zu platzieren“, sagt Sponsel. Die Anmeldedaten aber zeigten, dass trotz wenig Werbung das DOK.fest in Hamburg, Berlin und dem ganzen Bundesgebiet angekommen ist. Über die Hälfte des Publikums kam nicht aus Bayern – darunter viele Menschen, die wohl kaum extra nach München gereist wären.
2. Das Publikum braucht echten Mehrwert, keine Notlösung
Damit das Publikum aber auch einen echten Mehrwert hat, musste beim rasanten Umstieg des analogen Festivals ins Digitale einiges beachtet werden. „Die Website ist unser Festivalzentrum“, sagt Sponsel: „Auf der Seite muss man sich wohlfühlen, sie muss funktional sein.“ Prozesse, Technik und Produktionswege sollten vorher also sehr gut durchdacht und so einfach wie möglich gestaltet werden. Auch die verschiedenen Ausspielwege darf man nicht vergessen: Die einen sitzen lieber vorm Fernseher, die anderen nutzen hauptsächlich Tablet oder Smartphone. Wer das nicht allein schafft, sollte sich Unterstützung holen. Das DOK.fest zum Beispiel bekam diese beim Kulturserver Berlin, einer gemeinnützigen GmbH für IT-Dienstleistungen im Kulturbetrieb.
3. Live-Momente funktionieren, ersetzen die persönliche Begegnung aber nicht
Um Live-Momente zu schaffen, lud das DOK.fest Filmemacher*innen zum Videochat ein. „Da war der Druck da“, erzählt Sponsel, „fast wie beim Auftritt auf der Bühne. Zudem gab es einen unglaublich regen Austausch in den sozialen Medien.“ Die Interaktion vor Ort habe er trotzdem sehr vermisst, gibt Sponsel zu.
4. Ein Online-Festival ersetzt nicht das Kino als Gesamterlebnis
Was aber passiert mit den Kinos? Erst Dank ihnen stellt sich bei einem Filmfestival das richtige Festivalfeeling ein. Findet das Ganze nur online statt, brechen also nicht nur die Einnahmen weg. Als kleine Finanzhilfe für die wegen der Corona-Pandemie zwangsweise geschlossenen Filmtheater hatte das DOK.fest angeboten, dass Zuschauer bei jedem Ticketkauf freiwillig einen Euro an die Partnerkinos spenden können. Im Preis des Festivalpasses waren drei Euro Solidarbeitrag enthalten.
51 Prozent der Einzeltickets wurden mit dem extra Beitrag verkauft. Insgesamt kamen so etwa 18.000 Euro zusammen. „Wir haben uns sehr gefreut über diese Geste der Unterstützung“, sagt Bruno Börger von den City Kinos München, einem der drei Partnerkinos des DOK.fest, „auch wenn die laufenden Kosten so leider nicht zu tragen sind.“
Doch die Aktion zeigt, dass das Publikum zum Kino steht und dieses unterstützt. Auf das Kino als Gesamterlebnis möchte DOK.fest-Leiter Daniel Sponsel trotz des Online-Erfolgs in Zukunft auf einen Fall verzichten.
Das Fazit: Onlineauswertung als Zukunft der Dokubranche?
In der neuen Festivalform liegen große Chancen für die Branche. „Ich stelle mir vor, dass es in nicht allzu ferner Zukunft eine duale Auswertung gibt, parallel und zeitgleich in Kino und online. So lässt sich die größtmögliche Aufmerksamkeit und Reichweite generieren“, glaubt Sponsel. Gerade den relativ kleinen Dokumentarfilmen fehlt oft die Kraft, im gleichen Maß für Kino-, TV- und Onlinepremieren zu werben.
Sicher wird nicht jedes Festival und jedes Genre das DOK.fest-Erfolgsrezept kopieren können. Doch für den Kurzfilm etwa, für den es kaum kommerzielle Plattformen gibt, schafft Streaming neue Möglichkeiten. Die Kurationsarbeit der Festivals kann insbesondere für relativ spitze Zielgruppen einen Mehrwert bieten, der sich von der algorithmischen Empfehlung der Streamingriesen für die breite Masse absetzt.
Für das kommende DOK.fest 2021 wünscht sich Daniel Sponsel zwar eine Rückkehr in die Kinos, parallel dazu soll es aber auch wieder Zugang per Streaming geben. „Wir werden versuchen zu beweisen, dass sich die Auswertung online und im Kino gegenseitig nicht ausschließt.“
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