Matthias Mehner, Managing Director bei MessengerPeople.
„Reine Shopping-Chatbots sind tot“
Die digitale Kundenbindung ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen – solange sie auf klassische Kanäle setzen. Im Interview verrät Matthias Mehner, Managing Director bei MessengerPeople, wie Messenger Apps Unternehmen und Kund:innen wieder ins Gespräch bringen.
Die Pandemie hat die Unternehmenskommunikation noch digitaler gemacht. Wird das Verhältnis von Kund:innen und Unternehmen gerade immer unpersönlicher?
Matthias Mehner: Das glaube ich nicht. Das Internet der letzten 20 Jahre war unpersönlich. Seit es Geschäftsbeziehungen zwischen Menschen gibt, war die Beziehung zwischen Kunde und Verkäufer immer ein Gespräch. Märkte sind Gespräche. Aber als das Internet aufkam, war der Dialog erst mal vorbei. Unternehmen haben eine Website hingestellt und Kunden mussten plötzlich alles selbst machen. Wenn ich heute einen Flug buche, suche ich im Internet, vergleiche Preise, wähle aus und kaufe. Natürlich hat das Vorteile: Ich kann zu jeder Tageszeit selbstständig und flexibel eine Reise buchen. Aber es hat wenig mit persönlichem Austausch und Kundenbindung zu tun.
Zeigt dieses Beispiel nicht gerade, dass ein Dialog nicht immer nötig ist?
Mehner: Das Monolog-Prinzip funktioniert bei einfachen Dingen und wenn ich genau weiß, was ich will. Aber bei komplexeren Geschäftsbeziehungen, die Beratung erfordern, macht es Sinn, dass sich Menschen unterhalten. Die Brand Loyalty geht durch die fehlende enge Bindung zwischen Unternehmen und Kunde im Internet total zurück. Kunden ist es egal, ob sie ihr neues Polohemd bei Amazon, H&M oder Otto bestellen. Das ist gerade im E-Commerce eine riesige Challenge. Unternehmen müssen ihre Kunden digital mehr oder weniger jedes Mal neu einkaufen.
„Kundenbindung entsteht dann, wenn ich als Unternehmen mit dem Kunden über seine Probleme auf dem Kanal spreche, auf dem er am liebsten dar- über sprechen möchte.“
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, auch digital eine enge Kundenbindung herzustellen?
Mehner: Kundenbindung entsteht dann, wenn ich als Unternehmen mit dem Kunden über seine Probleme auf dem Kanal spreche, auf dem er am liebsten darüber sprechen möchte – und auf dem er auch mit Freunden oder der Familie kommuniziert. Deswegen bin ich ein Fan von Messenger Apps. WhatsApp wird in Deutschland von 60 Millionen Menschen täglich genutzt, der Facebook Messenger von 20 Millionen. Warum sollte ich als Unternehmen meine Kundenkommunikation dann nicht auf die Kanäle verlegen, wo sie ohnehin stattfindet?
Das heißt, privater Dialog und Business vermischen sich. Wie sieht dein eigener WhatsApp-Feed aus?
Mehner: Ich habe hier meine Sportgruppe, meine Familie, meine Frau, meinen Bruder. Dann kommt HelloFresh. Da könnte ich jetzt zum Beispiel sagen: „Hey, HelloFresh, bitte für morgen meine Bestellung ändern.“ Interessant ist auch das Thema Conversational Commerce. Ich habe Shops in meinem Feed, denen ich eine Sprachnachricht schicken kann: „Hallo, ich brauche wieder drei neue T-Shirts.“ Vielleicht werde ich noch nach Farbe und Größe gefragt und dann stehen die Shirts am nächsten Tag vor meiner Tür. Ich spare mir die Google-Suche, gehe auf keine Website und muss mir auch nicht extra eine Shop-App herunterladen. Das ist Kommunikation auf Augenhöhe. Das ist die Zukunft. Ich unterhalte mich wieder mit meinem Kunden.
An welchen Stellen der Kundenkommunikation macht der Einsatz von Messengern am meisten Sinn?
Mehner: Vor allem in der Beratungsphase vor dem Kauf und bei der Kundenbetreuung nach dem Kauf. Aber auch im HR, um Stellenausschreibungen zu kommunizieren oder Bewerbungsverfahren und kurze Jobinterviews durchzuführen. Als führender Software-as-a-Service-Anbieter für die Kommunikation mit Messenger Apps zeigen wir von MessengerPeople Unternehmen, wo die Dienste Sinn machen und wo nicht. Um eine Marke bekannt zu machen, braucht es zum Beispiel erst einmal guten Content und eine gute Experience auf den klassischen Kanälen wie Websites oder Social Media. Wenn ein Kunde aufmerksam geworden ist, sollte es aber unmittelbar mit dem persönlichen Austausch auf WhatsApp weitergehen.
Wie könnte ein gelungener Austausch aussehen?
Mehner: Wenn ich eine Reise nach Kroatien buchen will, geht es mir um eine positive Kauf-Experience. Ich plane meine Reise, suche bei Google nach einer schönen Unterkunft und lande zum Beispiel bei TUI. Schafft es TUI gleich am Anfang, mir eine gute Chat-Beratung anzubieten, in der auf meine Bedürfnisse eingegangen wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich auch über TUI buche und nicht über ein Vergleichsportal.
Einige Kundenservices nutzen Chatbots, um Anfragen schneller beantworten zu können. Wie wirken automatisierte und persönliche Kommunikation sinnvoll zusammen?
Mehner: Persönliche und automatisierte Kommunikation müssen Hand in Hand gehen. Reine Shopping-Chatbots sind tot. Das war der Hype 2016, als Mark Zuckerberg angekündigt hat, dass bald alle Menschen über den Chatbot einkaufen. H&M, Lego oder Expedia waren die großen Bots. Von diesen automatisierten Chatbots gibt es heute in der Form keinen einzigen mehr. Warum? Weil ein automatisierter Verkauf nicht funktioniert.
Woran liegt das?
Mehner: Der große Denkfehler im Chatbot-Business ist, dass die Unternehmen sich gefragt haben: Wie redet der Kunde mit dem Chatbot? Die entscheidende Frage ist aber: Wie hilft der Chatbot den Verkaufsberatern der Unternehmen, eine schnelle, einfache und trotzdem skalierbare Kommunikation einzuleiten?
„Medienunternehmen müssen sich beim Thema Conversational die Frage stellen: Wie schaffe ich es, dass sich Kunden bei mir melden und ich sie mit Informationen versorgen kann?“
Gibt es ein Unternehmen, das Messenger Apps besonders erfolgreich im Kaufprozess einsetzt?
Mehner: Eine absolute Erfolgsgeschichte schreibt meiner Meinung nach der bayerische Online-Farbhändler MissPompadour. Der Einzelhändler hat vor zwei Jahren noch Farbe in Regensburg verkauft. Jetzt setzt er voll auf E-Commerce. Mittlerweile kommen täglich 500 Anfragen über WhatsApp und am Ende kommt es bei neun von zehn Leuten zum Kaufabschluss. MissPompadour macht alles mit echtem Personal und ohne Chatbots. Mit unserer Software lässt sich das gut managen. KI ist heute noch ein Forschungsfeld und bei Weitem nicht so weit, dass ein Bot ein Verkaufsgespräch erfolgreich führen könnte.
Verbrauchen persönliche Messenger-Dialoge nicht unglaublich viele Personalressourcen?
Mehner: Der überwiegende Teil unserer Kunden berichtet, dass der Einsatz von WhatsApp kein Kosten-, sondern ein Profitabilitätsfaktor ist. Der richtige Einsatz von Chatbots fängt viel ab und spart so Personalressourcen an anderer Stelle. Beim BMW Werkstatt Kundenservice zum Beispiel sind die Anrufe dank der Automatisierung durch WhatsApp um 60 Prozent zurückgegangen.
Amazon, ABOUT YOU oder Zalando brauchen nicht unbedingt einen Messenger-Dialog – die verkaufen profitabel im Self-Service-Modus, bei dem der Kunde genau weiß, was er will. Aber für kleine und mittelständische Händler, die sich durch ihre gute und persönliche Beratung auszeichnen, ist der Dialog per WhatsApp eine riesige Chance, sich von den Megakonzernen abzuheben. Den Preiskampf können die kleinen Händler nicht gewinnen, daher sollten Service und Beratung im Mittelpunkt ihrer digitalen Strategie stehen.
Sollten auch Medienunternehmen mehr auf WhatsApp und Co. setzen?
Mehner: Auf jeden Fall. Medienunternehmen müssen sich beim Thema Conversational die Frage stellen: Wie schaffe ich es, dass sich Kunden bei mir melden und ich sie mit Informationen versorgen kann?
Im Hörfunk läuft das bereits sehr gut, zum Beispiel bei Radio Arabella München. Du hörst einen Song, den du nicht kennst. Dann schickst du eine WhatsApp mit dem Stichwort „#Song“ an den Sender und erfährst, welches Lied gerade läuft. Außerdem können Hörer Musikwünsche äußern, Blitzer oder Staus melden oder an Gewinnspielen teilnehmen. Aber auch im Print-, TV- oder Verlagswesen fördert WhatsApp das User Engagement. Der Austausch von Text-, Video-, Foto- und Sprachnachrichten schafft Interaktion und stärkt die Kundenbindung.
Messenger wie WhatsApp oder Facebook Messenger stehen vor allem wegen Datenschutz in der Kritik. Besteht hier nicht ein Risiko?
Mehner: Wir bei MessengerPeople garantieren den datenschutzkonformen Einsatz. Wir haben Datenschutzbeauftragte, Löschkonzepte, die Daten laufen über unsere Server und werden nicht in die USA transferiert. Unternehmen brauchen sich bei der Nutzung von WhatsApp und Facebook Messenger keine Sorgen zu machen.
Auch wenn die Kritik dafür gesorgt hat, dass die Downloads der anderen Messenger gerade stark ansteigen, bleibt Messenger-Kommunikation in Deutschland auch künftig WhatsApp-Kommunikation. Denn am Ende geht es nicht um Downloads, sondern um Nutzung und Reichweite.
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