So will ein neues Startup die Audio-Welt revolutionieren

Von Christina Hertel

Sven Rühlicke und Ruben Schulze-Fröhlich von Wake Word

Audio boomt und stellt Unternehmen vor Herausforderungen. Zwei Münchner haben hier ein Geschäftsmodell für sich entdeckt und die Agentur Wake Word gegründet. Ihr Ansatz ist ambitioniert: Sie wollen Marken beraten, neue Technologien und eigene Inhalte entwickeln – kurz: alles abdecken.

Ein ehemaliges Fabrikgelände im Englischen Garten mit hohen Decken, hohen Fenstern, außen ein Pool, innen schwarze Lampen. Hier arbeiten Sven Rühlicke und Ruben Schulze-Fröhlich seit August daran, ein Unternehmen aufzubauen, das die Audio-Welt verändert: Wake Word heißt es und ist Deutschlands „einzige Voice-Fullservice-Agentur“. Rühlicke und Schulze-Fröhlich bieten mit Wake Word nicht nur Audio-Inhalte an. Sie beraten auch und erarbeiten Lösungen – und zwar für sämtliche Fragen im Bereich Voice und Audio. „In einer Welt, in der immer mehr Menschen mit Lautsprechern kommunizieren, stehen Unternehmen vor vielen neuen Herausforderungen“, sagt Sven Rühlicke. Zum Beispiel: Wie bleibt das eigene Unternehmen auffindbar, wenn Nutzer einen Sprachassistenten fragen, der, anders als Google, nicht mehr unzählige Antworten ausspuckt? Oder: Wie bleibt eine Marke in Erinnerung, wenn nirgends ein Logo zu sehen ist?

Ein neuer Boom: Jeder Dritte hört Podcasts

Der Zeitpunkt für eine neue Voice- und Audio-Agentur ist gut: Innerhalb eines Jahres haben es Smart Speaker laut einer Studie des Audiovermarkters RMS geschafft, weltweit 50 Millionen Nutzer*innen zu erreichen. Das Internet habe dafür viermal so lange gebraucht. Statistiken gehen davon aus, dass bis 2020 jede zweite Suche im Internet per Sprachbefehl erfolgt. Gleichzeitig gibt es seit 2012 einen Podcast-Boom: Inzwischen hört jeder Dritte regelmäßig Geschichten und Talks. Doch so, wie wahrscheinlich eines Tages immer weniger Menschen um 20 Uhr auf dem Sofa sitzen, um die Tagesschau zu sehen, drehen wohl in Zukunft auch immer weniger Leute in der Küche das Radio an. Radiosender sind nicht mehr die einzigen, die Audio-Angebote bereitstellen. Inzwischen produzieren Verlage wie Hanser, Medienunternehmen wie Zeit Online und Streaming Plattformen wie Spotify eigene Inhalte.

Die Idee zu Wake Word entstand bei Antenne Bayern

Bevor Rühlicke und Schulze-Fröhlich ihr Projekt starteten, arbeiteten sie bei Antenne Bayern. Rühlicke, der 17 Jahre dort tätig war, konzipierte die Digitalstrategie, verantwortete unter anderem das Podcastlabel lautgut. Schulze-Fröhlich verwirklichte den True-Crime-Podcast „Dunkle Heimat“ und die Voice-App „Song Duell“. „Immer mehr Menschen fragten uns um Rat“, sagt Schulze-Fröhlich. Dies sei der Auslöser gewesen, eine neue Herausforderung anzunehmen. „Es fühlt sich nicht nach Risiko, sondern nach einer Riesenchance an“, meint Rühlicke. „Im schlimmsten Fall war das Ganze ein besser bezahltes Praktikum, bei dem wir viel lernen konnten.“ Businesspläne schreiben, Kunden akquirieren, Ideen pitchen, Investoren treffen. Drei Geldgeber beteiligen sich an Wake Word. Wer das ist, wollen Rühlicke und Schulze-Fröhlich nicht verraten. Zu ihren Kunden zählen unter anderem Sony Music, der Morningbriefing Podcast von Garbor Steingart und der Axel-Springer-Verlag. Und: Für „Phrasenmäher“, den Fußball-Podcast der Bildzeitung, stellen sie die Voice-App bereit.

Vom Autofahren bis zum Kochen: Alle Lebensbereiche könnten sich verändern

Bis jetzt sitzt im Wake Word-Büro ein Angestellter. Zwei Programmierer arbeiten von zu Hause aus. Um als Agentur relevant zu sein, bräuchten sie mindestens zehn Mitarbeiter, sagt Rühlicke. Wie schnell Wake Word auf diese Größe wächst, hängt davon ab, wie schnell neue Kunden hinzukommen. Und wie schnell Verlage, Sender, aber auch andere Unternehmen wie Autohersteller oder Lebensmittelproduzenten verstehen, dass Sprachassistenten eine wichtige Rolle in der digitalen Zukunft spielen können.

Potenzielle Nutzer*innen nennen die Rühlicke und Schulze-Fröhlich viele: Der vielbeschäftigte Business-Mensch, der sich im Auto den Stand des Aktiendepots ansagen lässt. Hobbyköch*innen, die Inspiration für ein neues Gericht suchen und dafür dem Sprachassistenten erzählen, welche Zutaten im Kühlschrank sind. Sportler*innen, die auf der Matte liegen und nicht erst zum Smartphone greifen wollen, um sich die nächste Übung ansagen zu lassen. „Im Prinzip“, sagt Schulze-Fröhlich, „könnte Sprachsteuerung alle Lebensbereiche verändern.“ Für Marken bedeute das: Sie brauchen neben einem visuellen Logo eine eigene Stimme, eigene Klänge. Sie müssten außerdem herausfinden, wie sie auffindbar werden und bleiben. Um das besser zu analysieren starten Rühlicke und Schulze-Fröhlich eine Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Hinter Wake Word steckt also Service, Suchmaschinenoptimierung, Technologie und Beratung, aber auch Inhalt. Rühlicke und Schulze-Fröhlich wollen Podcasts erstellen und das schaffen, was sie „Netflix für die Ohren“ nennen. „Wir sind sicher“, sagt Rühlicke, „dass wir mit unserem Fullservice-Ansatz in eine große Lücke stoßen.“ Jetzt kommt es darauf an, diese auch zu füllen.

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