Claudia Dinges: „Die Faszination Radio wird bleiben“

Für ihren Job beim Radio hat Claudia Dinges (48) einst ihr Medizinstudium geschmissen. Hier erzählt die Programmdirektorin der neuen Audio Company Antenne Deutschland, wie man Radio für die Generation TikTok macht, warum viele Sender ihre Morning-Shows verlängert haben und was Teamführung für sie bedeutet.

02.06.2021 7 Min. Lesezeit

Claudia, worin liegt Deine Verantwortung als Programmdirektorin?

Claudia Dinges: Ich verantworte die inhaltlichen und kreativen Bereiche für die fünf Absolut-Radiosender Hot, Top, Bella, Oldie Classics und Relax. Neben der Redaktion, Moderation, Produktion und Programmgestaltung, gehört dazu die On-Air- Positionierung der Sender und die Musik, zusammen mit einem externen Musikberater. Hinzu kommen die Digitalisierung, neue Formate wie Podcasts und auf Tik Tok und diverse Webstreams wie zum Beispiel Absolut Music XL oder Absolut Lovesongs.

Was macht für Dich nach wie vor den Reiz des linearen Radios aus?

Claudia: Radio ist für mich deswegen so faszinierend, weil es ein schnelles, aktuelles Medium ist. Man kann sofort reagieren und alle Emotionen transportieren. Die Stimme, eine bildhafte Sprache und gut recherchierte Infos reichen, dann kannst Du mit einer Eilmeldung sofort on air gehen und die ganze Welt kriegt es mit. Das ist mein Tschakka-Gefühl!

Absolut Hot ist der Sender für die 14 bis 29-Jährigen. Wie “hot“ finden sie Radio?

Claudia: Ich bin fest davon überzeugt und sehe das auch bei meinen jungen Mitarbeiter:innen, dass sie Radio einfach sexy finden und die Faszination Radio bleiben wird. Spotify ist eine Ergänzung, aber keine Konkurrenz. Ich nutze das, wenn ich eine Party gebe, aber trotzdem habe ich in meinem Alltag das Radio an. Dort höre ich News, Einschätzung meiner Moderator:innen, kann lachen, was gewinnen und sie erleichtern mein Leben.

Und wie holt man die Generation TikTok ab?

Claudia: Bei Absolut Hot machen wir jeden Morgen auf TikTok „Die kürzeste Morningshow Deutschlands“, wo wir in 60 Sekunden ein Thema vorstellen und mit den Usern diskutieren. Natürlich versuchen wir darüber, die TikTok-User zu Absolut zu ziehen. Gleichzeitig wollen wir den Radio-Usern aber auch sagen: Geht mal auf Tik Tok und diskutiert dort mit uns. Wir nennen das Social Radio.

Die Absolut Sender laufen über DAB+, warum muss das so unsexy klingen?

Claudia: Wer sich den Namen ausgedacht hat, weiß ich nicht. DAB+ ist ein digitaler Ausspielweg, wo die Klangqualität besser ist und wir deutschlandweit senden. Die Zielgruppe ist also viel größer. Das hat auch einen Vorteil für die werbetreibende Branche, wovon das Privatradio ja lebt.

Die Pandemie hat den Werbemarkt schwer getroffen – welche Auswirkungen hat das für eure Arbeit?

Claudia: Für die alteingesessenen Sender war es dramatischer, da sie einen Einbruch ihres Werbemarktes von bis zu 80 Prozent hatten. Wir konnten einen großen Coup landen, indem wir uns mit STROER zusammengetan haben und in der Werbeakquise neue Wege gehen. Ich kenne aktuell keine gute Radiowerbung. Wir versuchen mit unseren Werbekunden kreativere und besser produzierte Werbung zu machen, zum Beispiel als kleines Hörspiel. Es darf allerdings keine Vermischung zu den journalistischen Inhalten geben. Ich würde nie eine:n Moderator:in eine Werbung sprechen lassen.

Wie hat sich das Radio Pandemie-bedingt noch verändert?

Claudia: Viele Sender haben ihre Morning-Show um eine Stunde verlängert, da die Menschen später aufstehen. Normalerweise war die stärkste Stunde im Radio immer von 7 bis 8 Uhr, nun von 9 bis 10 Uhr. Ein weiterer Effekt ist, dass die Menschen im Homeoffice mehr mit uns interagieren – über Whatsapp oder Social Media.

Das nagelneue Studio von Antenne Deutschland hat seinen Sitz in Garching – welchen Vorteil hat Bayern als Medienstandort?

Claudia: Ich glaube, dass Bayern führend ist, was die Medienlandschaft und die Netzwerke angeht. Das Panda Netzwerk finde ich zum Beispiel ganz toll. Deren Chefin Isabelle Hoyer schafft es, Frauen deutschlandweit zusammenzubringen.
Auch unser technischer Dienstleister NexCast ist ein sehr innovatives bayerisches Unternehmen. Die haben wir mit an Bord geholt, um die ganzen Studios aufzusetzen und ihr Automations- und Produktionstool, genannt Radio Cloud, zu integrieren. Wir haben damit jeden Monat einen Lockdown-Tag geübt, um im absoluten Notfall alles von der Bettkante aus machen zu können.

Gibt es für Dich eigentlich ein Radio-Kontrastprogramm?

Claudia: Radio ist mein Leben und wer beim Radio arbeitet, schaltet auch im Urlaub nicht ab, weil man ja immer Medien konsumiert. Ich analysiere sofort: Ist das ein Thema für uns? Wie wurde dieses Thema umgesetzt? Mit welchem Interviewpartner? Aber das belastet mich nicht. Nur das sehr frühe Aufstehen früher als ich Morningshow gemacht habe, war echt ne Challenge. Wenn ich früher am Wochenende auf Partys war, ist es vorgekommen, dass ich um 22 Uhr die Gastgeber gefragt habe, ob ich mich in ihr Ehebett legen kann.

Welche Rolle hat Radio in Deiner Kindheit gespielt?

Claudia: Als Oberfränkin, gebürtig aus Bayreuth, bin ich mit Antenne Bayern aufgewachsen. Später war es dann immer mein Traum, dort einmal zu arbeiten. Ich habe erst Medizin studiert, nach dem Physikum abgebrochen und ein Journalismusstudium begonnen. Später habe ich dann wirklich dreizehn Jahre lang bei Antenne Bayern gearbeitet.

Du hast in der Corona-Zeit Antenne Deutschland an den Start gebracht. Was liegt hinter Dir?

Claudia: Das war das intensivste halbe Jahr meines Lebens. Antenne Deutschland ist ein Start-Up. Wir sind im vergangenen Oktober mit einem Kernteam von zwölf Leuten auf DAB+ deutschlandweit mit fünf Sendern on air gegangen. Normalerweise ist man Programmdirektorin von einem Sender, ich bin es von fünf. Dazu gehörte, ein komplett neues Team zu formen. Ich habe ungefähr 500 Bewerbungen gesichtet und 50 Gespräche geführt. Das größte Kompliment meiner Mitarbeiter:innen ist, dass sie sagen: „Wir sind schon jetzt ein Team.“

Wie funktioniert gute Teamleitung für Dich?

Claudia: Mir ist wertschätzende, abholende Kommunikation sehr wichtig. Gleichzeitig gilt: Klarheit vor Harmonie. Generell bin ich ein sehr offener und empathischer Mensch und lasse meinen Mitarbeiter:innen viele Freiräume. Das wissen und genießen sie. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass ich ein bisschen strenger werde, wenn es nicht läuft. Ich habe das durch frühere Chef:innen gelernt, wo ich mir Dinge abgucken konnte und von meiner Coachie, Antje Müller-Diestel, mit der ich schon bei Antenne Bayern eng zusammengearbeitet habe. Das Feedback von anderen Frauen ist mir sehr wichtig.

Worauf sollten sich Verlage konzentrieren, um zukunftsfähig zu bleiben?

Bauer: Die Frage ist in der Theorie einfach zu beantworten, aber in der Umsetzung umso schwieriger. Es geht um die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Zielgruppen. Viele Verlage neigen dazu, sich zu sehr mit sich selbst zu beschäftigen und fragen nicht den Markt, wo die Reise hingeht. Letztlich zahlen die Kund:innen unsere Gehälter. Deswegen müssen wir uns heute intensiv damit beschäftigen, was sie morgen brauchen.

Haben Sie ein Motto, das Sie leitet?

Bauer: Behandle jeden Menschen in dem Wissen, dass er mindestens eine Sache besser kann als du. – Rat hole ich mir ansonsten von meinen Mentoren. Das sind etwa fünf bis zehn kompetente Leute, deren Meinung mir sehr wichtig ist.

Was schätzen Sie am Standort Würzburg, was am Standort Berlin?

Bauer: Ich habe sieben Jahre in Berlin gelebt und manche meiner Mentoren leben dort. Nach Corona werde ich versuchen, wieder öfter da zu sein. Berlin ist eine Stadt, die sehr viel Energie gibt, die aber auch viel Energie zieht. Würzburg ist meine Heimatstadt, hier macht Leben richtig Spaß. Die Region ist mit bekannten Unternehmen wie Flyeralarm, Koenig [&] Bauer, s.Oliver und Brose auch wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. Hier gibt es viele Student:innen und reiches kulturelles Leben. Und meine Familie lebt hier.

Was ist für Sie die aktuell größte Innovation im Bereich TV?

Rosemann: Da antworte ich unbescheiden: „The Masked Singer“. Und mit „Wer stiehlt mir die Show“ haben Joko Winterscheidt und Florida eine neue Dimension in das Genre Quiz gebracht.

Was schätzen Sie am Medienstandort Bayern?

Rosemann: Bayern und insbesondere München ist ein exzellenter Standort, um Fernsehen und großartiges Entertainment zu machen. Die Branche und die Medienpolitik sind hier gut vernetzt. Und die Bavaria hat sich in den vergangenen Jahren so entwickelt, dass wir dort immer mehr Shows produzieren.

XPLR: More Media Managers

Michael ’Mais’ Sundermann ist seit August 2020 als Head of Multichannel Art [&] Design bei der Seven.One Entertainment Group – ehemals ProSiebenSat.1 TV Deutschland – tätig. Nach Feierabend tauscht er Laptop gegen Leinwand. Warum die Malerei seine Arbeit befruchtet und wie man in der Kreativabteilung die Herausforderungen der Digitalität angeht, erzählt er hier.

 

Über den Autor/die Autorin

Liza Marie Heuring

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