Michael ’Mais’ Sundermann, 35, liebt Fernsehen und Kunst. Foto: Jonathan Gordon Photography
Michael ’Mais’ Sundermann: „Unterhaltung und Bewegtbild sind gefragt wie nie“
Michael ’Mais’ Sundermann ist seit August 2020 als Head of Multichannel Art & Design bei der Seven.One Entertainment Group - ehemals ProSiebenSat.1 TV Deutschland - tätig. Nach Feierabend tauscht er Laptop gegen Leinwand. Warum die Malerei seine Arbeit befruchtet und wie man in der Kreativabteilung die Herausforderungen der Digitalität angeht, erzählt er hier.
Warum bist Du von der Werbeagenturgruppe Serviceplan zu ProSiebenSat.1 Media gewechselt?
Michael ’Mais’ Sundermann: Nach zehn Jahren bei Serviceplan und einem sehr erfolgreichen 2019 dort, war es Zeit für etwas Neues – nach dem Motto: Geh, wenn es am Schönsten ist. Die Kreativabteilung der Seven.One Entertainment Group ist eine Inhouse-Agentur. Für mich das Beste aus zwei Welten: ein cooles Medienunternehmen, aber auch der Zusammenhalt und die enge Zusammenarbeit wie in einer Agentur.
Wegen welcher Fähigkeiten hat man Dich eingestellt?
Sundermann: Da ich bei Serviceplan in der Digitalabteilung gearbeitet habe, war für meinen neuen Arbeitgeber mein digitaler Background interessant. Eine der Challenges aktuell für TV-Sender ist es digitale Reichweite zu schaffen und dadurch mehr junge Leute zu erreichen. Unterhaltung und Bewegtbild sind gefragt wie nie zuvor. Gerade was die Social Media Plattformen angeht, die Bewegtbild-Content bevorzugen.
Du leitest ein 25-köpfiges Team, worin bestehen eure Aufgaben?
Sundermann: Wir sind senderübergreifend für die Kreation der Identitäten und das OnAir Design von Formaten wie Germany’s Next Topmodel, Promi Big Brother oder The Masked Singer verantwortlich. Sobald die visuelle Klammer steht, geht es darum, die Shows mit einer integrierten Kampagne zu bewerben. Angefangen mit Plakaten an Bushaltestellen und Printanzeigen bis hin zu Online-Werbemitteln und Social Media.
„Früher wurde ein Sender alle paar Jahre neu erfunden: Bei Sat.1 hat sich der Ball in drei Jahrzehnten bestimmt acht Mal verändert. In jüngster Zeit ist der Wunsch nach Konstanz größer geworden.“
Wie übersetzt man Emotionen in visuelle Identität und andersrum?
Sundermann: Wir fragen uns: Was soll das Format ausdrücken? Welches Gefühl soll vermittelt werden? Das geht natürlich nur mit viel Erfahrung, Feingefühl und guten Daten. Jedes Briefing enthält eine genaue Zielgruppenbeschreibung. Außerdem ist es ein langer Prozess vom ersten Entwurf bis zum finalen Design. Da wird alles auf den Prüfstand gestellt und nach diversen Kriterien beurteilt.
Woher kommt die Prioritätenverschiebung vom Sender zum einzelnen Format?
Sundermann: Sender-Marken spielen nach wie vor eine wichtige Rolle, die sich im Laufe der Zeit aber gewandelt hat. Früher wurde ein Sender alle paar Jahre neu erfunden: Bei Sat.1 hat sich der Ball in drei Jahrzehnten bestimmt acht Mal verändert. In jüngster Zeit ist der Wunsch nach Konstanz größer geworden. Eine Theorie von mir ist, dass die einzelnen Formate gegenüber dem Sender aufgrund des On-Demand-Verhaltens der User an Relevanz gewonnen haben. Die wollen eine bestimmte Sendung schauen, ob auf ProSieben oder Netflix ist zu diesem Zeitpunkt zweitrangig. Deswegen ist es für uns so wichtig, die Kommunikation für die Formate so ansprechend und überzeugend wie möglich zu gestalten und damit das Image des Senders weiterzuentwickeln.
Da Du nun Fernsehmensch bist – was ist Deine Lieblingssendung?
Sundermann: „Wer stiehlt mir die Show“ mit Joko Winterscheidt ist aktuell mein Favorit. Es ist ein sehr gutes Format – sowohl inhaltlich als auch vom Design her. Das ist sehr grafisch, reduziert, modern, bold und passt gut zu ProSieben.
In welchem Unternehmen der bayerischen TV- und Filmbranche wird noch besonders innovativ gearbeitet?
Sundermann: Hyperbowl ist ein ganz modernes Studio in München mit einer neuen Drehtechnik, die erstmals von Disney bei „The Mandalorian“ eingeführt wurde. Man filmt dabei nicht mehr vor Greenscreen, sondern vor riesigen LED-Wänden. Die Kamera fliegt um Dich herum und die LEDs passen sich ihr an. Du kannst von der Wüste bis zum Weltall alles simulieren und das Tolle ist, die Lichtreflektionen sind real – das geht mit Greenscreen nicht.
„Unterschiedliche Arbeitsweisen und Charaktere zusammenzubringen und herauszufinden, was Menschen brauchen um gut zu arbeiten, finde ich im positiven Sinne herausfordernd.“
Welche Deiner neuen Aufgaben macht Dir am meisten Freude?
Sundermann: Mein Start während der Pandemie macht besonders die Mitarbeiterführung spannend, da ich die wenigsten Personen bisher in echt kennenlernen konnte. Eine Beziehung und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, ist viel schwieriger. Bei Serviceplan habe ich mehrere Restrukturierungen mitgemacht und da einiges mitgenommen. Unterschiedliche Arbeitsweisen und Charaktere zusammenzubringen und herauszufinden, was Menschen brauchen um gut zu arbeiten, finde ich im positiven Sinne herausfordernd.
Bei Serviceplan hast Du veranlasst, dass ein Atelier für die Angestellten eingerichtet wurde. Warum?
Sundermann: Es ist für Kreative gesund ihre gewohnte Umgebung zu verlassen, um die eigenen Sinne zu reizen. Eine Stunde malen, einen Spaziergang machen, das Mittagessen mal woanders holen und so den Kopf frei kriegen. Das braucht man in einer Kreativagentur, wo am Fließband gute Ideen produziert werden sollen und die Kunden eine riesige Erwartungshaltung haben. Druck, enge Rahmen und KPIs hemmen Kreativität per se erstmal. Die freie Arbeit ist eine Medizin dagegen.
Malen anstatt Yoga: Ist es für Dich als Künstler ein Konflikt, wenn Kunst als Teil der Selbstoptimierung seine Sinn-Zweck-Befreitheit verliert?
Sundermann: In dem Atelier war es so gedacht und kommuniziert, dass es egal ist, was am Ende dabei rauskommt. Du konntest selbst bestimmen, wann Du ins Atelier gehst. Keiner hatte die Erwartungshaltung, dass Du danach besser ablieferst. Man hat einfach verstanden, dass die Bedürfnisse der Leute heute andere sind. Sie wollen sich verwirklichen, Spaß haben und nicht nur Geld verdienen.
Michael ’Mais’ Sundermann beim Malen. Foto: Jonathan Gordon Photography
„Arbeit [sieht] heute aus wie Freizeit und Freizeit wie Arbeit“ – das haben der Kunsthistoriker Tom Holert und der Journalist Mark Terkessidis gesagt. Was von beidem ist Kunst für Dich?
Sundermann: Ich mache Kunst nicht, um Geld zu verdienen. Es geht darum, aus meinen Verhaltensmustern auszubrechen und mich selber in andere Sphären zu begeben. Das hilft mir auch, im Job scharfsinniger zu sein und neue Ideen zu haben. Ich will mich ja ständig weiterentwickeln. Manchmal ist Kunst aber auch einfach nur Arbeit. Wenn ich etwa eine 2x2 Meter Fläche mit Punkten ausmalen will, hat das nichts mehr mit Kreativität zu tun.
Hast Du grade mehr oder weniger Zeit zum Malen?
Sundermann: Mehr! Mein Haupt-Learning aus der ganzen Corona-Zeit ist es, meine Woche optimal vorauszuplanen und zu strukturieren. Da plant man an manchen Abenden eben einen Slot für Kunst ein, den es sonst eher nur spontan gegeben hätte.
Woran arbeitest Du derzeit?
Sundermann: Ich male eine neue Serie von Personengruppen, die ineinander verschlungen sind. Social Distancing beschäftigt mich, da ich gerne jemanden auf die Schulter klopfe und mich ständig mit meinen Kindern raufe. Mich interessiert das Thema Glückshormone. Selbst bei einem Handshake wird Oxytocin ausgeschüttet, das ist wichtig um Vertrauen aufzubauen. Bereits in der Vergangenheit habe ich eine Serie zum Thema Berührung ausgestellt.
Das isolierte Freelancer-Dasein wäre nichts für Dich, oder?
Sundermann: Stimmt. Ich bin ein Großraumbüro-Typ. Ich mag das Gewusel, die Lebendigkeit und den ungeplanten Informationsaustausch in der Kaffeeküche. Mir war schon immer klar, dass ich kreativ arbeiten, aber auch was mit Menschen machen will. Vor dem Kommunikationsdesign-Studium an der Designschule München habe ich ein Praktikum in einer Werbeagentur gemacht und gewusst: Das ist es.
Die Museen haben wieder geöffnet, wirst Du Dir demnächst eine Ausstellung angucken?
Sundermann: Ich gehe lieber in Galerien als in Museen. Die Münchner Galerien flash und størpunkt repräsentieren zeitgenössische Künstler, die mir gefallen. Ansonsten gehe ich auch immer gerne in den Kunstbau vom Lenbachhaus.
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