Miriam Fendt von „Literally”: „Es geht um die Liebe zum Lesen“
Kaum eine Leseratte kommt heute noch an BookTok vorbei – und der Bayerische Rundfunk mischt mit seinem TikTok-Kanal „Literally“ mit. Sehr erfolgreich: In nur eineinhalb Jahren hat der Kanal fast 40.000 Follower:innen gewonnen. Zusammen mit Knut Cordsen hostet Miriam Fendt das Format. Im Interview verrät sie, warum unabhängiger Kulturjournalismus dem Phänomen BookTok guttut.
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In den letzten Jahren hat das Bücherlesen bei jungen Menschen mit Social Media bzw. BookTok einen Aufschwung erhalten. Wie erklärst du dir diese neue Faszination fürs Lesen?
Miriam: Das Phänomen BookTok ist vor allem während der Pandemie groß geworden. In dieser Zeit waren viele zuhause und hatten Zeit zu lesen. Andererseits haben viele Buchliebhaber:innen nach neuen Räumen gesucht, in denen sie sich austauschen konnten. Nach und nach haben sich immer größere Communities zu verschiedenen Genres entwickelt – bis daraus ein richtiger Hype ums Lesen entstand. Auch jetzt bleibt der Trend so lebendig, weil er eine schöne Mischung ist aus einem Hobby, das auch introvertierte Menschen gerne ausüben, und einem Austausch mit anderen. Man kann seine Leidenschaft auf Social Media zum Ausdruck bringen und findet neue Gedanken, Welten, Inspiration.
Zusammen mit dem Literaturkritiker Knut Cordsen hostest du das BR-Format „Literally“. Warum braucht es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Format rund um Bücher?
Miriam: Uns ist aufgefallen, dass es sehr viele private Leser:innen gibt, die sich über Bücher aus ihren Lieblingsgenres austauschen. Auf der anderen Seite gibt es viele Autor:innen, die ihre Bücher vermarkten möchten, und Verlage, die hauptsächlich über ihr eigenes Verlagsprogramm sprechen. Das wiederum ist natürlich werblich. Beides ist absolut fair – wir haben aber den Need erkannt, dass es auch einen unabhängigen Player auf Social Media braucht, der die Titel aus kulturjournalistischer Sicht bespricht. Wir kuratieren und rezensieren unsere Buchauswahl nach eigenen Kriterien, die über den persönlichen Lesegeschmack hinausgehen. Zum Beispiel haben wir uns vorgenommen, auch Bücher vorzustellen, die noch nicht so oft in der BookTok-Bubble besprochen wurden.
Damit trefft ihr einen Nerv: In nur eineinhalb Jahren hat euer TikTok-Kanal fast 40.000 Follower:innen gewonnen. Wie geht ihr die Themen an, damit sie bei der jungen Zielgruppe ankommen?
Miriam: Unsere Redaktion besteht aus Autor:innen, Redakteur:innen und uns Hosts. Gemeinsam überlegen wir, welche Themen aktuell und spannend sind, zum Beispiel welche Gegenwartsliteratur ein breites Publikum interessieren könnte oder welche gesellschaftskritischen Aspekte ein Buch aufweist. Manchmal greifen wir auch Themen auf, die in der BookTok-Community gerade heiß diskutiert werden. Die Autorin Caroline Wahl ist mit ihren Büchern zum Beispiel jetzt sehr stark im öffentlichen Diskurs – auch wir haben ein TikTok zu ihr produziert. Für mich ist das Schönste, dass wir Literatur mit unserem Content die Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient.
Genres wie Romantasy oder Young/New Adult sind zu einem Riesenmarkt herangewachsen und bei BookTok sehr präsent. Ihr sprecht bewusst auch über Literaturklassiker. Haben es diese schwerer auf TikTok?
Miriam: Witzigerweise haben es Klassiker relativ leicht auf BookTok! Neben einer großen Romantasy-Bewegung gibt es auch eine Community, die echte Literaturklassiker, etwa von Autor:innen wie Virginia Woolf, Franz Kafka oder Fjordor Dostojewski, für sich entdeckt. Es ist nicht ohne Grund Weltliteratur. Viele junge Menschen entdecken sich auch heute in diesen Klassikern wieder oder sehen es als Challenge, sich da durchzulesen. Auch wir lieben Klassiker, uns ist aber wichtig, dass unsere Follower:innen nicht das Gefühl bekommen, sie müssen bestimmte Titel gelesen haben, um mitreden zu können. Uns geht es in erster Linie um die Liebe zur Literatur und zu zeigen, wie viel Spaß es machen kann, sich mit anspruchsvolleren Büchern selbst herauszufordern.
Welche Themen kommen besonders gut an?
Miriam: Besonders gut kommen die Videos an, in denen man einen kleinen Einblick hinter die Kulissen eines Buchtitels bekommt, also zum Beispiel etwas über die Autor:innen erfährt. Mein Kollege Knut hat etwa ein TikTok zu Patrick Süßkind, dem Autoren von „Das Parfum“, gedreht. Er lebt sehr zurückgezogen und es ist wenig über ihn bekannt. Knut hat ihn einmal persönlich getroffen und unserer Community davon erzählt.
Was geht gar nicht? Schließt ihr bestimmte Bücher oder Autor:innen von vornherein aus?
Miriam: Grundsätzlich wollen wir nichts ausschließen. Wir haben aber beobachtet, dass Authentizität sehr wichtig ist, wenn man über Bücher spricht. Das ist ein weiterer Grund, warum wir nicht so viel über gehypte New Adult- oder Young Adult-Titel reden – weil wir sie selbst nicht lesen. Damit wollen wir diese Bücher aber auf keinen Fall abwerten.
Wovor ihr euch allerdings nicht scheut, sind politische Themen: Ihr berichtet bei „Literally” beispielsweise davon, dass einige Autor:innen die Frankfurter Buchmesse boykottieren. Warum ist euch das wichtig?
Miriam: Als kulturjournalistischer Kanal sprechen wir auch über News, die die Branche bewegen. Unsere Rolle dabei ist, über das Geschehen zu berichten und die Fakten einzuordnen. Wir nehmen nicht unbedingt zu jedem Sachverhalt eine Position ein. Wenn uns ein bestimmtes Thema am Herzen liegt, sagen wir aber auch offen, was wir darüber denken. Ich habe zum Beispiel in einem Kommentar erklärt, was ich davon halte, dass die Cover der Thomas-Mann-Neuauflage im S. Fischer Verlag KI-generiert sind.
Ihr selbst seid auf der Frankfurter Buchmesse unter anderem am Stand von XPLR: MEDIA in Bavaria vertreten. Worauf dürfen sich Standbesucher:innen freuen?
Miriam: Wir wollen den Austausch und die Diskussion von TikTok ins echte Leben tragen. Jeder, der mehr über unser Format, über uns Hosts oder die Bücher, die wir lesen, erfahren möchte, ist herzlich willkommen! Neben unserer Präsenz am Stand wird es auch einen spannenden Talk auf der Bühne geben. Wir freuen uns über jeden persönlichen Kontakt und Feedback zu unseren Inhalten.
Bannerbild: Leah Ruprecht








