Johannes Hammersen: „Spannend, wie lineares TV und Streaming zusammenwachsen!“

Es gibt mittlerweile so viele Streaminganbieter, dass Nutzer:innen schnell mal den Überblick verlieren. Johannes Hammersen hat das früh erkannt und wenige Tage nach dem Deutschlandstart von Netflix die Streaming-Suchmaschine WerStreamt.es gelauncht. Im Gespräch erzählt er von der Herausforderung, eine Streaming-Datenbank aufzubauen und warum es sich trotzdem gelohnt hat, Übersicht in den Streaming-Dschungel zu bringen.

15.06.2021 6 Min. Lesezeit

Herr Hammersen, mit WerStreamt.es kann man herausfinden, welche Filme und Serien auf welchen Streaming-Plattformen zu sehen sind. 2020 war ein Rekordjahr für den gesamten Streaming-Markt. Wie haben Sie das auf Ihrer Plattform gespürt?

Johannes Hammersen: Das vergangene Jahr hat mit Sicherheit geholfen, dass Streaming-Dienste noch mehr Mainstream geworden sind und die Nutzung dauerhaft hoch bleiben wird. In den Jahren davor war die Hauptsaison für die Suche nach Streaming-Inhalten rund um Weihnachten. Doch Ostern 2020 hatten wir deutlich mehr Traffic als sonst an Weihnachten. Da kamen zwei Effekte zusammen: der Lockdown und der Start von Disney Plus in Deutschland.

Wie kam es zur Gründung des Dienstes?

Hammersen: Der Gedanke kam mir, als ich vor acht Jahren nachts meine Tochter im Kinderwagen durch die Gegend geschoben habe, weil sie nicht schlafen konnte. Ich hörte einen Podcast und erfuhr darin, dass es bei einem Anbieter, ich glaube es war Watchever, eine Serie im Probeabo kostenlos gab, für die ich wenige Tage zuvor auf einer anderen Plattform noch Geld gezahlt hatte. Da dachte ich, das muss doch möglich sein, diese Informationen zusammenzutragen. Der Streaming-Markt war damals noch eine Nische und völlig chaotisch, Netflix gab es nur in den USA. Ich hatte eine Webagentur und dachte mir, das kann ja nicht so schwer sein, eine Filmdatenbank zu programmieren. Allerdings wurde ich schnell eines Besseren belehrt und habe das Projekt erst einmal wieder ad acta gelegt.

Was war das Problem?

Hammersen: Das Problem sind die Daten. Zum einen gibt es keine einheitliche ID für Filme und Serien, die alle Anbieter nutzen. Zum anderen haben damals viele Anbieter ihre Daten auch nicht geteilt – das ist inzwischen anders. Heute bekommen wir die IDs von den meisten Anbietern. Aber einen Branchenstandard, den alle nutzen, gibt es noch immer nicht.

2014 hat es dann aber doch geklappt. Wie verlief der Start?

Hammersen: Als wir 2014 einen neuen Anlauf unternahmen, war schnell klar, dass das nicht nebenbei läuft. Daher gründeten wir eine eigene Firma und beschafften uns ein bisschen Kapital dafür. Beim Launch sind wir aber eigentlich mit einer Testversion online gegangen, deren Kinderkrankheiten wir im Livebetrieb beseitigen mussten. Als im September Netflix in Deutschland startete, schrieben alle möglichen Blogs und Medien darüber, welche Inhalte in Deutschland verfügbar waren. Mein Programmierer sagte mir damals, dass wir über all die Daten verfügen und wissen, was in Deutschland läuft. Also sind wir einfach online gegangen, drei Tage nach dem Deutschland-Start von Netflix.

Seit 2017 gehört Werstreamt.es zur Funke Mediengruppe. Was hat sich dadurch geändert?

Hammersen: Die Kultur bei so einem großen Medienhaus ist natürlich anders als in einem Start-up, aber man lässt uns machen. Der große Vorteil ist, dass Funke seit Jahrzehnten eine umfassende Programmdatenbank aufgebaut hat. Mit Titelbeschreibungen zu den Filmen und Kategorisierungen. Auf diese Daten haben wir jetzt Zugang und können sie nutzen. Spannend finde ich, wie lineares TV und Streaming aktuell zusammenwachsen, durch all die Mediatheken wie Joyn oder TV Now. Bei den Fernsehzeitungen können wir mit unseren Streaming-Infos zusätzliche Infos zu den linearen Sendezeiten liefern. Wenn beispielsweise im TV linear die Simpsons laufen, gibt es zusätzlich den Streaming-Tipp, dass die Serie auch auf Disney Plus zu sehen ist.

Warum sind eigentlich die Öffentlich-Rechtlichen Mediatheken auf Werstreamt.es nicht vertreten?

Hammersen: Leider haben wir keine brauchbaren Daten von den Öffentlich-Rechtlichen. Wir haben schon mehrere Anläufe unternommen und das steht auch 2021 auf unserer Roadmap. Denn unser Anspruch ist, eine vollständige Übersicht über alle verfügbaren Streaming-Inhalte zu liefern.

Was ist die Herausforderung?

Hammersen: Es gibt keine Metadaten und viele Inhalte haben den gleichen Titel. Ein Titel wie „Türkisch für Anfänger“ kann bei den Mediatheken von ARD und ZDF ein Film sein, ein Making-of oder vielleicht sogar eine Talkshow. Damit wir die Mediatheken aufnehmen könnten, bräuchten wir Informationen über alle Inhalte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sind, mit Kategorisierungen wie Film, Serie, Erscheinungsjahr und so weiter. Aber wir sind in Gesprächen.

Zahlen die Streaming-Dienste für die Integration?

Hammersen: Nein – es gibt zwar ein Affiliate-Modelle, bei dem wir verdienen, wenn wir einem Streaming-Dienstleister zahlende Kund:innen bescheren, die Teilnahme an dem Affiliate-Programm ist aber keine Voraussetzung. Daneben haben wir klassische Werbung auf unserer Website.

Sie haben die Seite in München gegründet und sind auch mit Funke in Ismaning. Was schätzen Sie am Medienstandort Bayern?

Hammersen: Ich habe nie überlegt, woanders hinzugehen. Wir haben hier genau die Leute, die wir brauchen. Ich bin hier vernetzt und ich schätze den Austausch vor Ort. Wir haben unter anderem Maxdome, jetzt Joyn und Sky um die Ecke, das war vor allem zu Beginn sehr hilfreich. Ein weiteres Thema sind meine Mitarbeitenden: Gute Programmierer zu finden ist ohnehin nicht leicht. Wir brauchen zusätzlich welche, die Ahnung von Medien haben. Das geht in München – und darüber bin ich sehr froh.

Worauf sollten sich Verlage konzentrieren, um zukunftsfähig zu bleiben?

Bauer: Die Frage ist in der Theorie einfach zu beantworten, aber in der Umsetzung umso schwieriger. Es geht um die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Zielgruppen. Viele Verlage neigen dazu, sich zu sehr mit sich selbst zu beschäftigen und fragen nicht den Markt, wo die Reise hingeht. Letztlich zahlen die Kund:innen unsere Gehälter. Deswegen müssen wir uns heute intensiv damit beschäftigen, was sie morgen brauchen.

Haben Sie ein Motto, das Sie leitet?

Bauer: Behandle jeden Menschen in dem Wissen, dass er mindestens eine Sache besser kann als du. – Rat hole ich mir ansonsten von meinen Mentoren. Das sind etwa fünf bis zehn kompetente Leute, deren Meinung mir sehr wichtig ist.

Was schätzen Sie am Standort Würzburg, was am Standort Berlin?

Bauer: Ich habe sieben Jahre in Berlin gelebt und manche meiner Mentoren leben dort. Nach Corona werde ich versuchen, wieder öfter da zu sein. Berlin ist eine Stadt, die sehr viel Energie gibt, die aber auch viel Energie zieht. Würzburg ist meine Heimatstadt, hier macht Leben richtig Spaß. Die Region ist mit bekannten Unternehmen wie Flyeralarm, Koenig [&] Bauer, s.Oliver und Brose auch wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. Hier gibt es viele Student:innen und reiches kulturelles Leben. Und meine Familie lebt hier.

Was ist für Sie die aktuell größte Innovation im Bereich TV?

Rosemann: Da antworte ich unbescheiden: „The Masked Singer“. Und mit „Wer stiehlt mir die Show“ haben Joko Winterscheidt und Florida eine neue Dimension in das Genre Quiz gebracht.

Was schätzen Sie am Medienstandort Bayern?

Rosemann: Bayern und insbesondere München ist ein exzellenter Standort, um Fernsehen und großartiges Entertainment zu machen. Die Branche und die Medienpolitik sind hier gut vernetzt. Und die Bavaria hat sich in den vergangenen Jahren so entwickelt, dass wir dort immer mehr Shows produzieren.

XPLR: More Media Managers

Michael ’Mais’ Sundermann ist seit August 2020 als Head of Multichannel Art [&] Design bei der Seven.One Entertainment Group – ehemals ProSiebenSat.1 TV Deutschland – tätig. Nach Feierabend tauscht er Laptop gegen Leinwand. Warum die Malerei seine Arbeit befruchtet und wie man in der Kreativabteilung die Herausforderungen der Digitalität angeht, erzählt er hier.

 

Über den Autor/die Autorin

Franziska Mozart

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