Martin Moszkowicz: „Es gibt einen massiven Bedarf an jungen Leuten beim Film”

Das Münchner Filmfest lässt Kulturfans nach über einem Jahr Pandemie aufatmen. Martin Moszkowicz, Filmproduzent und Vorstandsvorsitzender der Constantin Film, freut sich, dass das Fest mit der hauseigenen Produktion „Kaiserschmarrndrama“ (Kinostart: 5. August) eröffnet. Im Interview erzählt er, was die Pandemie in Sachen Kinofilme gelehrt hat, wie man geeigneten Nachwuchs für Produktionen findet und worüber er gerne mit dem bayerischen Ministerpräsidenten sprechen würde.

22.06.2021 8 Min. Lesezeit

Herr Moszkowicz, am 1. Juli eröffnet das Münchner Filmfest nach mehr als einem Jahr Pandemie – mit welchem Gefühl blicken Sie auf die Veranstaltung?

Martin Moszkowicz: Ich freue mich wahnsinnig, das Kino in allen Facetten hochleben zu lassen und nach so langer kulturreduzierter Zeit mit der Branche zusammen zu kommen.

Die neue Eberhofer-Krimi-Verfilmung „Kaiserschmarrndrama“ der Constantin Film eröffnet das Filmfest. Ein gelungener Auftakt, oder?

Moszkowicz: Die Eberhofer-Krimis sind in Bayern absoluter Kult – dort haben wir die gleichen Zuschauerzahlen wie James Bond, teils sogar noch etwas besser. Der Eberhofer hat Figuren, in denen die Menschen sich wiedererkennen und gleichzeitig einen bayerisch-lakonischen Humor. Wir lassen gerade eine schwere Zeit hinter uns, da trifft „Kaiserschmarrndrama“ als Filmfest-Auftakt genau den richtigen Ton. Ich habe diese Entscheidung des Filmfests sehr begrüßt.

Mit wem würden Sie auf dem Münchner Filmfest gerne ins Gespräch kommen?

Moszkowicz: Das wichtigste ist, das Publikum zu sehen, denn ohne Publikum gibt es kein Kino. Daneben freue ich mich aber besonders, Markus Söder zu treffen. Ich habe ihn in den letzten Monaten gelegentlich gesehen, es gab ja viel zu besprechen für unsere Branche und den Standort.

Was liegt Ihnen auf dem Herzen, das Sie mit dem bayerischen Ministerpräsidenten genauer besprechen möchten?

Moszkowicz: Kultur muss wieder regelmäßiger Teil unseres täglichen Lebens werden – selbstverständlich unter der Beachtung der Maßnahmen, die das Infektionsgeschehen in Schach halten. Als es um die Eindämmung des Infektionsgeschehens ging, hat die bayerische Regierung klar und schnell Linie gezeigt. Ich hoffe, dass sie nun genauso klar und schnell Linie zeigt, wenn es darum geht, wieder in ein normales Fahrwasser zu kommen. Zumachen geht immer schnell, Aufmachen dauert leider zu lange. Aber daneben gibt es natürlich eine ganze Reihe von Themen, die für die Branche und den Standort und die Zukunft entscheidend sind. Dafür brauchen wir die Hilfe vom Ministerpräsidenten und seiner Verwaltung.

Während wir sprechen, sind Sie gerade in Los Angeles – neuen Projekten auf der Spur?

Moszkowicz: Ein Teil der Constantin Film hat ihren Sitz in LA, von hier aus machen wir Filme für den Weltmarkt. Da braucht es viele Gespräche mit amerikanischen Filmstudios und den großen Streamern. Alle vier bis sechs Wochen bin ich eine Woche in LA, um mich vor Ort mit den Mitarbeitern der Constantin Film dort um die Kinoproduktionen zu kümmern. Oliver Berben kümmert sich parallel um die Fernseh- und Streamingproduktionen.

In LA sind die Kinos schon länger geöffnet als bei uns. Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?

Moszkowicz: Ich bin quasi direkt vom Flughafen ins Kino und habe mir „In The Heights“ angeschaut. Das ist ein Musical von Lin-Manuel Miranda, ein bekannter Musical-Autor, der auch „Hamilton“ verantwortet hat. Ein großartiges Kinoerlebnis!

Es wird viel diskutiert über das Spannungsfeld zwischen dem physischen Kino-Erlebnis und dem Angebot der Streaming-Riesen wie Amazon Video oder Netflix. Was wird sich durch die Streaming-Kultur Ihrer Einschätzung nach verändern, was wird bleiben?

Moszkowicz: Ich sehe die Kino-Streaming-Debatte nicht so kontrovers, wie sie oft beschrieben wird. Es sind einfach zwei unterschiedliche Arten, Filme und Serien zu schauen. Die eine schließt die andere nicht aus. Es gibt Untersuchungen, dass die Menschen, die viel streamen, auch gerne ins Kino gehen. Das Kinoerlebnis ist einzigartig. Beim Kino lasse ich mich zwei Stunden auf einen Film ein, ohne etwas anderes nebenher zu machen. Ich bin in einem großen Raum mit perfektem Bild, perfektem Ton. – Gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass nicht jeder Film ins Kino muss und dass Zeitautonomie ein wichtiger Bestandteil ist. Es gibt wirtschaftlich erfolgreiche Produktionen, die außerhalb des Kinos laufen, beispielsweise direkt bei einem Streaming-Anbieter oder im klassischen Fernsehen.

Besteht die Möglichkeit, dass Constantin Film den Schwerpunkt weg vom Kino hin zur Kooperation mit Streaming-Anbietern verlagert?

Moszkowicz: Wir haben nicht vor, unsere grundsätzliche strategische Ausrichtung bei der Constantin Film zu ändern. Das Kino ist Teil unserer DNA. Als Produktionsfirma arbeiten wir aber mit allen Streaming-Anbietern und natürlich auch allen Fernsehsendern gut zusammen und dieser Bereich wächst schnell.

Die Dokumentation „22. Juli – Die Schüsse von München“ ist eine Kooperation mit Sky. Sie geht dem rechtsradikal motivierten Anschlag aus dem Jahr 2016 auf den Grund. Mit dem neuen Label „Constantin Dokumentation“ wollen Sie sich dem Format intensiver widmen. Warum?

Moszkowicz: Obwohl wir sehr erfolgreiche Dokumentarfilme wie „Das geheime Leben der Bäume“ oder „Die Mannschaft“ produziert haben, haben wir uns bisher in diesem Genre noch nicht explizit etabliert. Mit dem Label stellen wir das nun auf professionellere Beine.

„22. Juli – Die Schüsse von München“ ist auch der Auftakt einer Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung. Welche weiteren Themen sind geplant?

Moszkowicz: Durch die Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung haben wir Zugriff auf die immense Recherche-Power des Verlagshauses. Wir sprechen gerade über etwa ein halbes Dutzend Stoffe gemeinsam mit der SZ, über deren genauen Inhalt ich aber leider noch nichts verraten kann.

Wie finden Sie geeigneten Nachwuchs für Filmproduktionen abseits der Schauspielerei-, Regie- und Drehbuchstudiengänge?

Moszkowicz: Es gibt einen massiven Bedarf an jungen Leuten beim Film, vor allem für die produktionsbezogenen Berufe. Das sind etwa Produktionsleiter:innen, Aufnahmeleiter:innen, Filmgeschäftsführer:innen, Ausstatter:innen oder Kostümbildner:innen. Deshalb rufen wir ein duales Studium ins Leben. Hierfür arbeiten wir mit der Hochschule in Ansbach und der Münchner Filmhochschule zusammen. Eine ganze Reihe Münchner Firmen beteiligen sich auch. Die Studierenden werden dann für einen Teil der Ausbildung in den Firmen untergebracht. Wir planen, diesen Herbst die ersten Studierenden aufnehmen zu können. Darüber hinaus bilden wir auch bei uns im Betrieb neue Mitarbeiter:innen aus. Ich denke, es ist wichtig, nicht nur in den großen Städten, sondern auch in der Fläche für Arbeit bei Film und Fernsehen zu werben.

LA hat gewiss Vorzüge, aber was hält den Hauptsitz der Constantin Film in Bayern?

Moszkowicz: Es gibt den alten Spruch von Bernd Eichinger: „Man ist da zuhause, wo man gewollt ist.“ Das gilt heute immer noch. Wir haben in Bayern große politische Unterstützung für das, was wir machen. Ich denke an den FFF und auch die Medienpolitik. Außerdem finden wir hier hervorragende Mitarbeiter:innen. Es gibt zudem eine gute Infrastruktur, sowohl analog als auch digital, auch wenn letztere gewiss noch optimiert werden kann. Wir wären nicht in München geblieben, wenn wir das Gefühl hätten, dass es anderswo viel besser wäre.

Worauf sollten sich Verlage konzentrieren, um zukunftsfähig zu bleiben?

Bauer: Die Frage ist in der Theorie einfach zu beantworten, aber in der Umsetzung umso schwieriger. Es geht um die aktuellen und künftigen Bedürfnisse der Zielgruppen. Viele Verlage neigen dazu, sich zu sehr mit sich selbst zu beschäftigen und fragen nicht den Markt, wo die Reise hingeht. Letztlich zahlen die Kund:innen unsere Gehälter. Deswegen müssen wir uns heute intensiv damit beschäftigen, was sie morgen brauchen.

Haben Sie ein Motto, das Sie leitet?

Bauer: Behandle jeden Menschen in dem Wissen, dass er mindestens eine Sache besser kann als du. – Rat hole ich mir ansonsten von meinen Mentoren. Das sind etwa fünf bis zehn kompetente Leute, deren Meinung mir sehr wichtig ist.

Was schätzen Sie am Standort Würzburg, was am Standort Berlin?

Bauer: Ich habe sieben Jahre in Berlin gelebt und manche meiner Mentoren leben dort. Nach Corona werde ich versuchen, wieder öfter da zu sein. Berlin ist eine Stadt, die sehr viel Energie gibt, die aber auch viel Energie zieht. Würzburg ist meine Heimatstadt, hier macht Leben richtig Spaß. Die Region ist mit bekannten Unternehmen wie Flyeralarm, Koenig [&] Bauer, s.Oliver und Brose auch wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. Hier gibt es viele Student:innen und reiches kulturelles Leben. Und meine Familie lebt hier.

Was ist für Sie die aktuell größte Innovation im Bereich TV?

Rosemann: Da antworte ich unbescheiden: „The Masked Singer“. Und mit „Wer stiehlt mir die Show“ haben Joko Winterscheidt und Florida eine neue Dimension in das Genre Quiz gebracht.

Was schätzen Sie am Medienstandort Bayern?

Rosemann: Bayern und insbesondere München ist ein exzellenter Standort, um Fernsehen und großartiges Entertainment zu machen. Die Branche und die Medienpolitik sind hier gut vernetzt. Und die Bavaria hat sich in den vergangenen Jahren so entwickelt, dass wir dort immer mehr Shows produzieren.

XPLR: More Media Managers

Michael ’Mais’ Sundermann ist seit August 2020 als Head of Multichannel Art [&] Design bei der Seven.One Entertainment Group – ehemals ProSiebenSat.1 TV Deutschland – tätig. Nach Feierabend tauscht er Laptop gegen Leinwand. Warum die Malerei seine Arbeit befruchtet und wie man in der Kreativabteilung die Herausforderungen der Digitalität angeht, erzählt er hier.

 

Über den Autor/die Autorin

Julia Hägele

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